Gleichnisse

Jesus lehrte in Gleichnissen. Für uns scheinen sie oft leicht zu verstehen – man hat sie oft gehört – aber verstehen wir sie wirklich in ihrer Tiefe? Und wie ist das mit Menschen, die nicht an Jesus glauben? Und wie war das mit den Pharisäern damals?
Johannes Radtke besuchte uns am Donnerstag im TwentyUP und machte damit den Auftakt zu unserer Themenreihe „Gleichnisse“. Um die Gleichnisse Jesu zu verstehen, hat Johannes uns 4 wichtige Punkte mitgebracht:

  1. Der Adressat

Jesus richtete seine Gleichnisse immer an jemanden. Oft spricht er zum Beispiel die Pharisäer an, die zur religiösen Oberschicht damals gehörten. Diese waren sehr verschlossen gegenüber dem Thema Gnade, das Jesus immer wieder ansprach. Sie wollten keinen Aufstand, glaubten Jesus nicht und bemühten sich, ihm Fallen zu stellen und so Grund zu haben, ihn aus dem Weg zu schaffen. Teilweise war Jesus sehr hart und direkt den Menschen gegenüber, die nur ihre eigene Ehre suchen. Seine Gleichnisse haben häufig Schock-Momente für seine Zuhörer beinhaltet. Viele wendeten sich sogar aufgrund seiner klaren Worte von ihm ab (z.B. in Johannes 6).

  1. Biblischer Kontext

Ein Gleichnis sollte man, wenn man es wirklich verstehen möchte, nicht einfach ohne den Kontext lesen. Mit wem sprach Jesus zuvor? Was ist vorher geschehen? Matthäus reite die Gleichnisse zum Beispiel oft an den Stellen ein, an denen sie passten.

  1. Historisch-kultureller Kontext

Ein Beispiel: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der Jüngere wollte sein Erbe sofort haben und zog damit hinaus in die Welt. Er gab alles aus und als eine Hungersnot kam, musste er als Schweinehirte arbeiten. Er war so hungrig, dass er sogar das Tierfutter essen wollte, aber man verbot es ihm. Da erinnerte er sich an seinen Vater, und wie gut es ihm dort immer ergangen war. Vielleicht würde er ihn als Tagelöhner einstellen? So machte er sich auf. Noch bevor er angekommen war, rannte ihm der Vater schon entgegen, um seinen verlorenen Sohn zu empfangen. Er kleidete ihn neu ein, gab ihm einen Ring und veranlasste ein großes Fest, weil sein Sohn wieder zuhause war. Er freute sich so sehr über die Rückkehr. Der Bruder aber wurde eifersüchtig… (nach Lukas 15,11ff.)

Ohne den historisch-kulturellen Kontext geht im Gleichnis vom verlorenen Sohn einiges verloren. So ist es für uns heute normal, Schwein zu essen. Für Juden war und ist es bis heute undenkbar. Schweine sind in ihren Augen unreine Tiere. Wenn man als Schweinehirte arbeiten muss, ist man schon sehr tief unten angekommen.

Genauso undenkbar war es im Orient, dass ein Vater auf seinen Sohn zu rennt. Väter rennen nicht. Es zeigt ihre Würde es nicht zu tun.

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn greift zutiefst in das damalige Denken hinein. Kein Wunder, dass die Pharisäer, die so sehr an Tradition und Gesetz hingen, gar nicht begeistert waren von Jesu Gleichnissen.

  1. Theologisches Thema

Worum geht es eigentlich? Was ist das Hauptthema, von dem Jesus erzählt? Beim Gleichnis vom verlorenen Sohn ist es zum Beispiel Gnade oder Vergebung.

Aber warum sprach Jesus überhaupt in Gleichnissen?

Wir aus dem TwentyUP hatten da einige Ideen: Bilder kann man sich gut merken. Die Gleichnisse waren alltagsnah. Jesus war so nicht direkt angreifbar für die Pharisäer, sondern konnte indirekt Dinge ansprechen. All das stimmt zwar und hat seine Berechtigung, aber es war nicht die Antwort , die Jesus gab. Er sagt in Matthäus 13,10-17 (NGU2011):

Die Jünger kamen zu Jesus und fragten ihn: »Warum verwendest du Gleichnisse, wenn du zu den Leuten redest?« Er antwortete: »Euch ist es ´von Gott` gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen; ihnen ist es nicht gegeben. Denn wer hat, dem wird gegeben, und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch das genommen, was er hat. Das ist der Grund, warum ich in Gleichnissen zu ihnen rede. Sie sehen und sehen doch nicht, sie hören und hören doch nicht und verstehen auch nichts. An ihnen erfüllt sich die Prophezeiung Jesajas: ›Hört zu – ihr werdet doch nichts verstehen. Seht hin – ihr werdet doch nichts erkennen. Denn das Herz dieses Volkes ist verstockt, ihre Ohren sind verstopft, und ihre Augen halten sie geschlossen. Sie wollen mit ihren Augen nichts sehen, mit ihren Ohren nichts hören und mit ihrem Herz nichts verstehen und wollen nicht umkehren, sodass ich sie heilen könnte.‹ Ihr aber seid glücklich zu preisen! Denn eure Augen sehen, und eure Ohren hören. Ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte sehnten sich danach, zu sehen, was ihr seht, und haben es nicht gesehen; sie sehnten sich danach, zu hören, was ihr hört, und haben es nicht gehört.«

Jesus sagt seinen Jüngern, dass es ihnen gegeben ist, die Gleichnisse zu verstehen, weil sie sie verstehen wollen. Es braucht ein offenes Herz, Jesus zuzuhören und sich auch mal angreifen zu lassen. Wenn die Jünger die Gleichnisse nicht verstanden, erklärte Jesus sie ihnen und die 12 (/11) Jünger entschieden sich ihm immer weiter nachzufolgen. So können wir heute den Heiligen Geist bitten, uns die Gleichnisse oder auch andere Teile der Bibel zu erklären. Aber für Menschen, die ihr Herz oder ihre Augen oder Ohren (aktiv) geschlossen halten (Mt. 13,15), sind die Geheimnisse von Gottes Reich nicht bestimmt. Das ist nur seinen Jüngern gegeben (13,11) – damals wie heute.

Was nehmen wir daraus mit? Jesus wollte mit seinen Gleichnissen entweder Nachfolge oder Abwendung bewirken. Die Pharisäer wollten nicht hören, nicht sehen und nicht verstehen, was Jesus zu sagen hatte. Wenn wir aber offen dafür sind, Jesus wirklich von Herzen her nachzufolgen, dann können wir seine Gleichnisse in der Tiefe verstehen.

Bist du schnell dabei, dich herauszureden? Verschließt du dein Herz? Oder bist du offen für Jesu Reden? Bist du bereit Jesus nachzufolgen?

„Erforsche mich, Gott, und erkenne, was in meinem Herzen vor sich geht;

prüfe mich und erkenne meine Gedanken!

Sieh, ob ich einen Weg eingeschlagen habe, der mich von dir wegführen würde,

und leite mich auf dem Weg, der ewig Bestand hat!“

Psalm 139, 23.24 NGU2011)

-Evelyn Clement-